Die Dondorf-Druckerei

Ein Bau macht Politik: Frankfurt hat gleich zum Jahresauftakt einen gesellschaftlichen Kipppunkt erlebt, ausgelöst von der Max-Planck-Gesellschaft, als sie ihren Rückzug aus dem Bauvorhaben in Bockenheim bekanntgab. Die alte Dondorf-Druckerei wird nicht mehr für das Institut für empirische Ästhetik (MPIEA) abgerissen. Zwar liefen die Proteste rund um das 150-jährige Industriedenkmal trotz polizeilicher Räumungen weniger öffentlichkeitswirksam ab als so manch anderer Protest: Die Causa „Dondorf“ hat für die Frankfurter Stadtgesellschaft dennoch beträchtliche Tragweite.


Auch wenn der Bau an der Zeppelinallee deutlich sichtbar marode ist. In ihm kulminieren viele kulturelle, wirtschaftliche und historische Achsen, die für Frankfurt wichtig sind: jüdisches Leben, Pionier- und Gründergeist, Bank- und Verlagswesen, Druckkunst. Die ersten Yen-Banknoten für Japan wurden hier im 19. Jahrhundert gedruckt.

Verwunderlich ist, dass es überhaupt so weit kommen konnte und die Proteste eskalierten. Letztlich sprachen wohl wirtschaftliche Zwänge für einen Neubau. Den Stadtteil- und Architekten-Initiativen ist zu verdanken, dass die Abrisspläne frühzeitig öffentlich wurden. Die kluge Begründung des Rückzugs der Max-Planck-Gesellschaft lautete: „Das MPIEA versteht sich nicht nur als ein Ort der Wissenschaft, sondern möchte mit kulturellen Veranstaltungen und verschiedenen Diskussions- und Vermittlungsformen auch in den Austausch mit der Stadtgesellschaft treten.“ Mit Blick auf die „teils auch äußerst aggressiv“ vorgetragene Kritik sei jedoch ein gutes Verhältnis zur Frankfurter Bürgerschaft und den kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen unerlässlich.

Vielfalt statt Monokulturen

Wenn die Stadt Frankfurt und das Land Hessen es ernst meinen mit bürgerschaftlichem Engagement, historischer Verantwortung, mit Erinnerungskultur, nachhaltigem Bauen (Stichwort Bauwende) und lebenswerter Urbanität, ließe sich all das mit dem Areal der Dondorf-Druckerei umsetzen, statt zu rekonstruieren – in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Uni-Campus, Bockenheimer Depot, zu den botanischen Instituten, zum Palmengarten. Zuletzt nutzten die Kunstpädagogik der Goethe-Universität sowie die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst das Druckereigebäude. Mehr Vielfalt geht ja schon fast nicht mehr.

Die Stadt muss für ihre bauliche Entwicklung mehr Lebenswelten verbinden, sich von institutionellen Monokulturen wegbewegen. Der Erhalt eines wichtigen, authentischen Symbols ist deshalb wichtig. Und angesichts einer Million Quadratmeter, die in Frankfurter Bürobauten leer stehen und des gebotenen Erhalts grauer Energie, sollte ein Neubau nur die letzte Option sein.

Gute Nachricht für Frankfurt: keine geschlossene Gesellschaft

Es gilt die zahlreichen interkulturellen Beziehungen in der Stadtgesellschaft hervorzuheben, besser zu verzahnen, mehr auszuprobieren. Vor allem, wenn das  gesellschaftliche Klima momentan in eine andere Richtung zeigt. Die Karten können jetzt neu und möglicherweise bunter gemischt werden. Statt Blockade kann Dondorf Dialog und Kreativität freisetzen.


Politische Stimmen im Römer monieren, dass bei der Dondorf-Druckerei zu lasch mit den wenigen Hausbesetzern umgegangen wurde. Das zeugt nicht von Realitätsnähe. Denn die Petition haben knapp 3.700 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben. Es ist davon auszugehen, dass sie größtenteils der Frankfurter Stadtgesellschaft entstammen. Auch das ist in heutigen Zeiten eine gute Nachricht: die schweigende Mehrheit ließ sich als offene Gesellschaft aktivieren. Diese Offenheit ist die zwingende Voraussetzung für einen Kreativitäts- und Wissenschaftsstandort wie Frankfurt. Und hierfür muss die Max-Planck-Gesellschaft weiterhin im Spiel bleiben.