Ein neuer Anlauf zur Frankfurter Green-City

Die Römer-Koalition bittet den Magistrat um Prüfung, ob entsiegelte Flächen und weitere Areale an den Hauptläufen der Innenstadt für insektenfreundliche, klimaangepasste und „schön“ (!) anzusehende Bepflanzungen umwandelbar wären. Selbst Blumen können zum Aufreger werden: Kaum ist die Vorlage für mehr Blühendes veröffentlicht, schon nimmt die Reflex-Hysterie in den sozialen Medien ihren Lauf: „So etwas findet nur gut, wer sich kein Auto leisten kann,“ oder „wie wäre es, stattdessen für Recht, Ordnung und Sauberkeit zu sorgen?“, oder der für solche Debatten typisch rüde Ton: „Ich will keine Ökoscheiße.

Zunächst: In dem vorgelegten Antrag (02.02.2024, NR 873) steckt nichts anderes als die Idee, ein „Blühendes Band“ in Beeten oder Pflanzkübeln zu installieren. Das wäre mit einer vergleichsweisen harmlosen städtebaulichen Anpassung umsetzbar. Und es wäre ein Signal der Transformation, in vielerlei Hinsicht.

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos kam der Verlust an Biodiversität auf den dritten Platz der größten Geschäftsrisiken. Für viele der 1.490 befragten Entscheider sind Öko- und Ecosystem untrennbar miteinander verbunden. Die Klimawissenschaftlerin Katharine Hayhoe (Texas Tech University) brachte es auf den Punkt: „Jede Entscheidung, die wir treffen, ist eine Klima-Entscheidung, ob wir es erkennen oder nicht.“


Future Work: Draußen ist das neue Drinnen

Im Wettstreit zwischen Paris, London und Frankfurt beispielsweise spielt in den Rankings die Lebensqualität immer eine Rolle. Landschaftsarchitekten sind deshalb gefragter denn je. Sie denken die Stadt immer mehr von der Natur. Die heimische Pflanzenwelt müsse in die Stadt zurück, nicht nur als dekorativer Wohlfühlfaktor, sondern auch als produktiver Faktor.

Es dreht sich der Trend: Wurde in den vergangenen Jahrzehnten die Natur mit viel Technik in die Gebäude geholt (Stichwort Commerzbank Tower), geht es jetzt von drinnen nach draußen (vertikal und horizontal) zu Dachterrassen, Stadtgärten, Parks und Grünanlagen. Angetrieben wird die Entwicklung zusätzlich noch vom Homeoffice, das man vorrangig im entsiegelten, begrünten Umland antrifft.

Es wird immer deutlicher: Nachhaltigkeitsansätze werden auch im städtischen Raum zu Wirtschaftsfaktoren: Frankfurt braucht deshalb einen ganzen Strauß bunter Ideen, um sich auch im Wettstreit gegen die häuslich eingerichteten, verkehrsberuhigten und begrünten Arbeitsplätze behaupten zu können. Eine Million Quadratmeter Leerstand allein in Frankfurt zeugen von der verblassenden Anziehungskraft herkömmlicher Büroräume.

Auf der Ambiente berichtete das Berliner Planungsbüro Jasper Architects zum Thema Future Work von einem komplett verwaisten Büroviertel, mitten in Buenos Aires, das nach Corona an Attraktivität verloren hatte und nun in Richtung Grün revitalisiert werden soll.

Wenn attraktive Outdoor-Räume nicht weiter an das Umland abwandern sollen, wird es verstärkt in der Innenstadt darum gehen, mehr und wertvollerer Außenlandschaften zu planen: Orte des Austauschs, die nicht der sengenden Sommerhitze überlassen werden. Das bedeutet mehr Fassaden und Dächer begrünen, zu verschatten, zu entsiegeln und im öffentlichen Raum insgesamt mehr produktive Bepflanzungen und Naturnähe zu ermöglichen.

Frankfurts Innenstadt mit Öko- und Ecosystem

Frankfurts grüne Lunge ist die Wall- und Parkanlage, die Jakob Guiollett vor über 200 Jahren – auf Grundlage seiner Denkschrift Bemerkung über die Schleifung hiesiger Festungswerke – mit Landschaftsgärtner Sebastian Rinz geschaffen hat. Und der etwa 70 Jahre später angelegte Palmengarten sucht seines Gleichen in Deutschland.

Wie Grünflächen oft den Charakter und Wert von Gebäuden spiegeln sollen, könnte ein blühendes, ökologisch produktives Gesamtkonzept den Wert der Innenstadt spiegeln. Es muss ja nicht gleich Monets Garten sein. Zur Finanzierbarkeit und Umsetzung bringt die Magistratsvorlage eine Art Mitmach-Stadtgartenschau ins Gespräch:

– Kooperationen mit privaten Gartenbaubetrieben aus der Stadt und Region
– Firmen-Patenschaften, die Kontaktflächen im hochfrequenten Stadtgebiet erhalten
– Private Patenschaften, Gärtnerinnen und Gärtner, die ihr Können präsentieren
– Eine Leistungsschau und Motivation der Stadtgesellschaft
– Klimaangepasste, ästhetischen Gestaltung von Freiflächen, Terrassen, Balkonen

Kommen nach Urban Gardening nun Public und Office Gardening? Eines wird deutlich: Der Antrag liest sich nicht nur als Initiative zur Klimaanpassung. Positive Effekte werden auch auf den Einzelhandel, die Gastronomie und den Tagestourismus wirken.

Mehr als 500 Hektar der Stadtflächen bestehen aus Gartenland und Gemeinschaftsflächen der Kleingartenvereine. Die hier facettenreich gebundenen und eingehegten Kompetenzen freizusetzen, wäre ein lohnender Versuch, die gescholtene Innenstadt als Öko- und Business-Ecosystem aufleben zu lassen.