Kelten ganz urban – Asterix und Tattoos

Ein Museum in purer Landschaft. Die Keltenwelt öffnet am 1. März im neuen Licht und unter neuer Leitung. Erstmalig seit zwei Jahren gibt das große Panorama-Fenster den Blick wieder auf das rekonstruierte Grabareal frei. Hier lag der Sensationsfund von 1996, eine lebensgroße Steinfigur, gefunden auf einem Wetterauer Acker. Die Statue gilt weltweit als einzigartig. Die Oberhessen („for Future“) hatten damals so lange demonstriert, bis die Hessische Landesarchäologie erstmalig entschied: das Fundstück aus der keltischen Zeit bleibt an seinem Fundplatz. Ein Ort voller Bewusstsein und Strahlkraft. Mit dem Museum ist ein Brennglas zwischen Mythos, Land und Stadt entstanden.

Ich musste an das sehr lehrreiche Gespräch vor fünf Jahren denken. „Menschen sind Menschen, seien es die Kelten vor 2.500 Jahren oder wir heute“, sagte mir die damalige Direktorin am Glauberg – zwischen den Ausgrabungsstätten und der imposanten Inszenierung mitten in dem Ronneburger Hügelland.

Wer waren die Kelten in der seit Jahrtausenden dicht besiedelten Kulturlandschaft. Was bedeuten Sie für uns? Wie keine andere weiß das Vera Rupp. Zwölf Jahre lang arbeitete die stellvertretende Landesarchäologin mit dem Keltenfürsten unter einem Dach, umgeben von einem Jahrtausende alten Mythos.

Die Funde vom Glauberg und ihr so besonderer  Ausdruck begeistern jährlich zigtausende Besucher. Wer waren die Kelten?

 „Wir lieben alle das Geheimnisvolle“
Fragen an die frühere Direktorin Vera Rupp:

Rupp:  Die Kelten waren vor allem eines: innovative Landwirte, grandiose Händler und meisterhafte Kunsthandwerker. Sie handelten mit Eisen, Waffen, Kunsthandwerk und mit Salz auf den alten Handelsrouten durch Europa. In jener Zeit, etwa 600 bis 400 Jahre vor Christus, entwickelte sich mit den wirtschaftlichen Erfolgen eine Oberschicht, die man nur als Elite bezeichnen kann. Zu ihr gehörten um 400 vor Christus zweifelsfrei auch der „Keltenfürst vom Glauberg“ und zwei Krieger, die am Fuße des Berges ebenfalls mit besonderen Beigaben bestattet worden waren. Ein Halsring aus fast reinem Gold war damals ein schlichtweg immens teures Luxusgut.

Woher stammen die Grabbeigaben? Die Verzierungen auf den Kannen, ihre Dekore, Fabelwesen, Zirkelmustern sind meisterlich.

Rupp: Unser „Keltenfürst“ muss sehr wohlhabend und einflussreich gewesen sein. Daher verfügte er sicher über politische, wirtschaftliche und vermutlich auch religiöse Macht.  Schon damals wurde dies mit entsprechenden Attributen gezeigt, über den Tod hinaus. Möglicherweise stammen die Objekte von Kunsthandwerkern, die auf Wanderschaft waren und am Glauberg Auftragsarbeiten erledigten. Oder Händler machten dort gute Geschäfte. Heute wissen wir, dass zum Beispiel die Perlen der roten Koralle, die wir als Zierrat auf Gewandspangen und einem Schwertgriff gefunden haben, aus dem Mittelmeerraum stammten. Genau wie heute mussten damals die Schmuckproduzenten kreativ sein, sich etwas einfallen lassen, um gut verkaufen zu können.

Das klingt gar nicht ursprünglich, keltisch, sondern eher nach Marketing?

Rupp: Menschen sind Menschen, seien es die Kelten vor 2.500 Jahren oder wir heute. Kreativität, Kunstschaffen, sich mit schönen Dingen zu umgeben, ist ein Motor, der die Menschen seit Urzeiten bewegt und antreibt. Besonders spannend finde ich es, solche übergreifenden Zusammenhänge zu erforschen und der Öffentlichkeit vorzustellen. Das ist ein wichtiger Teil unseres Ausstellungskonzeptes. Es geht nämlich nicht allein um die Präsentation der Schätze mit der Keltenwelt, sondern darum, was Fundstücke uns über die Menschen und ihre Umwelt vergangener Zeiten sagen können.

Woher hatten die frühen Kreativen ihre Inspiration?

Rupp: Die Etrusker und Griechen beeinflussten stark die keltischen Kunsthandwerker in punkto Form und Dekor. Aber erst die künstlerische Umsetzung der Gedankenwelt der Kelten nördlich der Alpen machte das Besondere ihrer Kunst aus. Wir können das gut an den Mensch-Tier-Darstellungen und Mischwesen auf den beiden Bronzekannen vom Glauberg ablesen. Ein solches Wesen von großer Ausdruckskraft ist die Figur auf dem Deckel der Kanne aus Grab 2. Geflügeltes Pferd mit Raubtierkörper, angekettet. Wollte man im übertragenen Sinn das Wesen am Fortfliegen hindern, oder diente die Kette nur einem rein funktionalen Zweck, nämlich damit der Deckel nicht verloren ging? Rätsel über Rätsel.

Heute sind Kelten hoch im Trend, in der Kultur, im Design.

Rupp: Das Phänomen ist ganz präsent in der sogenannten Celtic-Folk-Music, der Fantasy-Literatur. Der bekannte schottische Fußballclub Celtic Glasgow nennt sich danach. Die „Gallier“ Asterix und Obelix sind seit Jahrzehnten Stars der Comic-Fangemeinde.

Die Keltenwelt hält uns weiter in ihrem Bann.

Rupp: Es entwickelte sich aus den Kelten der Eisenzeit ein Mythos, der weite Teile Europas einbezieht. Kurios ist dabei, dass sie sich vielleicht selbst nie als Kelten bezeichneten. Leider hinterließen sie keine schriftlichen Quellen. Elemente ihres Kunstschaffens haben sich nicht nur bis heute erhalten, sie wurden auch weiterentwickelt und teilweise neu erfunden. Gute Beispiele sind die Buchmalerei des Mittelalters und die Tattoomuster der Gegenwart. Ohne Zweifel handelt es sich dabei um ein einzigartiges und außerordentlich interessantes Phänomen.

Gespräch: Ulrich Siebert mit Dr. Vera Rupp*, von 2011 bis 2023 Direktorin der Keltenwelt am Glauberg und übergab die Leitung 2024 an Marcus Coesfeld.

Die Keltenwelt am Glauberg

Der Glauberg zählt zu den bedeutendsten archäologischen Fundstellen der keltischen Eisenzeit. Neben den außergewöhnlichen Bestattungen unterstreichen die Überreste der ehemals befestigen Höhensiedlung auf dem Glauberg die kulturhistorische Bedeutung des Fundareals am Ostrand der Wetterau. Im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung stehen die reichen Beigaben, die einst drei Kriegern der keltischen Elite in ihre Gräber folgten. An erster Stelle steht dabei das 1994 entdeckte Grabinventar des so genannten „Keltenfürsten vom Glauberg“. Als archäologische Sensation gilt die Tatsache, dass einige der Beigaben auf einer lebensgroßen Steinstatue abgebildet sind. Ein Archäologen-Team barg das Bildnis eines keltischen Kriegers mit seiner charakteristischen Blattkappe nur wenige Meter davon entfernt.