Essay von Ulrich Siebert

„Die Romantik triumphiert über dem Realitätsprinzip. Gut für die Poesie, schlecht für die Politik, falls sich die Romantik ins Politische verirrt“, so hatte Rüdiger Safranski einmal den verhängnisvollen Verlauf einer deutschen Affaire zusammengefasst. In ihr hatten sich die politischen Phantasmen bis zu einem zerstörerischen Wahn und bis zur Kapitulation vor 80 Jahren gesteigert. Nun treten sie wieder hervor: die Romantisierungen um Blut und Boden. Diesmal sogar auch aus den USA. Das sollte alle möglichen Warnsysteme aktivieren. Frankfurt verfügt mit seiner kritischen Schule und dem weltweit einzigartigen Romantik-Museum dabei über besonders sensible Sensoren.
Die Romantik ist zugegebenermaßen nicht das, was einem in Frankfurt als Erstes in den Sinn kommt. Seit Oberbürgermeister Ludwig Landmann und sein Dezernent Ernst May 1925 die Idee einer anpackenden und visionäre Erneuerung proklamierten, um dem privaten und öffentlichen Stadtleben auf die Sprünge zu helfen, hat sich Frankfurt auch im Bewusstsein als Dauerbaustelle eingerichtet.
Obwohl Frankfurts Emissionen vielfach die feineren Wahrnehmungen überlagern, so stehen Stadtflaneure aus aller Welt am Fluss und vertiefen sich in die getürmten und springenden Fassadenlandschaften. Zu den beliebtesten Fotostopps zählt noch ein weiterer Hotspot – seit mehr als 275 Jahren hat er direkt mit der Romantik zu tun: der Große Hirschgraben 23-25, mit dem Geburts- und Elternhaus von Johann Wolfgang von Goethe.
Goethe sagt: Romantik ist eine Krankheit

Mit Blick auf die bauliche Erneuerung war Frankfurts berühmtestem Bürger das Wesen der Deutschen Baukunst zu sehr gegen die Natur gerichtet, hinderlich für Erkenntnis und Sinneseindrücke. Statt Kunstwerke zu schaffen, halte man sich nur an das, was andere verlangen würden. Nichts Neues könne so entstehen, nur einfältige und patriarchalische Kunst, schrieb Goethe 1773 mit gerade 24 Jahren im ersten Stock am Großen Hirschgraben.
Sein kritisches Verhältnis zu den bildenden Künsten verstärkte sich noch durch den aufziehenden romantischen Zeitgeist. Die Deutschland später so prägende Kulturepoche war ihm zeitlebens ominös. Er beargwöhnte sie als Krankheit: die Unfähigkeit zur Entsagung, zur Mäßigung und Versöhnung. Das seien die Folgen von Begierden, Egoismen, vom Streben nach Extremen und flüchtenden Sehnsüchten. Eine aufgeregte Subjektivität und die Abkehr von Wissenschaftlichkeit gingen Goethe gehörig gegen den Strich. Andererseits ließen ihn die Momente sinnlicher, unmittelbarer Naturerfahrungen nie mehr los.
Als Johann Wolfgang vor 250 Jahren an einem wohl kaum behaglichen Novembertag 1775 Frankfurt den Rücken kehrte und nach Weimar aufbrach, war der 26-jährige Autor des jungen Werthers quasi über Nacht der Hype seiner Generation. Den Stürmern und Drängern setzte er allerdings recht schnell die formale Harmonie der Weimarer Klassik entgegen. Fast versehentlich verhalf Goethe dem heutigen Aushängeschild der deutschen Romantik, Caspar David Friedrich, zur Bekanntheit, indem er ihn einen Zeichenwettbewerb gewinnen ließ. Später ging er mit der für ihn zu düsteren, romantisierenden Landschaftsmalerei hart ins Gericht. An seiner Popularität und seinem Einfluss auf den Kulturbetrieb arbeiteten sich auch die großen Frühromantiker wie Novalis und Ludwig Tieck ab. Das waren keine Reibereien. Es war ein Ringen um die Form fortschreitenden Denkens, um mündige Reflexionen, das Examinieren von Aufklärung, Vernunft und Rationalität.
Kritik aus der Frankfurter Schule: „verwilderte Selbstbehauptung“
Die Reflexionen um Vernunft und Irrationalität ließen zwei weitere mit Frankfurt eng verbundene Berühmtheiten nicht los: Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Dass eine verallgemeinerte Vorstellung von Vernunft in Ideologie und Unterdrückung umschlagen kann, ist prägend für ihre kritische Theorie, die sie während der Emigration in Kalifornien verfassten und als Dialektik der Aufklärung 1947 erstmals in Amsterdam veröffentlichten. Die beiden führenden Köpfe des Instituts für Sozialforschung kehrten nach dem Krieg wieder nach Frankfurt zurück, in die Senckenberg Anlage 26. Jetzt setzten sie sich verstärkt mit den Folgen der irrationalen Unterwerfung der Natur durch den Menschen auseinander.
„Die Naturverfallenheit der Menschen ist heute vom gesellschaftlichen Fortschritt nicht abzulösen“, schreiben Horkheimer und Adorno und assoziieren damit die Entfremdung zur Natur durch eine zwanghafte Naturbeherrschung: „Die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität, die einerseits die Bedingungen für eine gerechtete Welt herstellt, verleiht andererseits dem technischen Apparat und den sozialen Gruppen, die über ihn verfügen, eine unmäßige Überlegenheit über den Rest der Bevölkerung. Der Einzelne wird gegenüber den ökonomischen Mächten vollends annulliert. Dabei treiben diese die Gewalt der Gesellschaft über die Natur auf nie geahnte Höhe.“
Solche Sätze lassen die althergebrachte Kritik an kapitalistischen Produktionsformen weit hinter sich. Ins Visier gerät die hochmoderne Sichtweise auf eine verhängnisvolle Dialektik zwischen erfolgreicher Naturbeherrschung und Selbstzerstörung, die ursprünglich von Prinzipien der Vernunft und Rationalität geleitet ist. In einer „verwilderten Selbstbehauptung“ lebt so das Verhältnis der Menschen und ihrer inneren Natur zueinander wieder auf, das mit der Vernunft und äußeren Naturbeherrschung eigentlich bezwungen schien. So verfällt der Mensch letztlich wieder der Natur.
Die Gesellschaftskritik mit ästhetischen Mitteln macht auch einen Romantiker wie Caspar David Friedrich zu einem frühen Seelengefährten der Frankfurter Schule. „Wer will es wissen, was einzig schön ist, und wer kann es lehren? Und wer, was geistiger Natur ist, Grenzen setzen, und Regeln dafür geben? O!, Ihr trockenen ledernden Alltagsmenschen ersinnet immerhin Regeln! Die Menge wird Euch loben für die dargebotenen Krücken, wer aber eigene Kraft fühlt, verlacht euch.“
Ein Superstar der Romantik in New York
Die Romantik verquickt Phantasmen mit dem Kritischen, das Verklärende mit dem Modernen. Während die aufklärerische Vernunft den Subjektivismus und die teils elitären und dekadenten Züge der Spätromantiker auch heute noch vielerorts belächelt, können so ihre progressiv-phantastischen Ausdrucksformen getarnt und ungestört ihre gefährlicheren Bahnen ziehen.
Weitsichtig war es von der Stadt Frankfurt, sich der deutschen Schlüsselepoche als Ganzes zu widmen und 2021 das erste, weltweit einzigartige Romantik-Museum zu eröffnen. Der modernistisch dreigliedrigen Museumsbaus im Großen Hirschgraben ist ein Template für eine baulich visionäre Erneuerung. Mit seiner verschlossenen Fassade, fast ohne Fenster gerät er in ein dialektisches Verhältnis zum Goethehaus.
Mehr Licht, das Goethe auf seinem Sterbebett im Weimar noch verlangt haben soll, hätte hier den papiernen Exponaten der Früh- und Spätromantiker zu stark zugesetzt. So versucht man sich im dunklen Dämmerlicht zwischen originalen Schriften, Briefen, Graphiken und Gemälden aus den Sammlungen des Freien Deutschen Hochstifts zu orientieren. Die Dauerausstellung scheint Friedrich Schlegels progressive Universalpoesie ernst zu nehmen: alle Wissenschaften zu umspannen und dichterisch zu beseelen. Wunderräume reihen sich aneinander. Über die einläufige, schmale Himmelstreppe steigt man einem hellen Oberlicht entgegen, und auf einem Zwischenplateau taucht rechts plötzlich die berühmte Mönchsfigur am Meer im multimedialen Großformat auf.
Der Mönch in New York
Der einsame Mönch war bis zum 11. Mai im Original und auf der ganz großen Bühne in New York zu sehen. Das Metropolitan Museum of Art hatte drei Monate lang Caspar David Friedrichs Werk erstmals und umfassend in den Vereinigten Staaten gezeigt: „Die Seele der Natur“ im Big Apple, eine Retrospektive mit 75 Ölgemälden und Zeichnungen des romantischen Superstars. Kein anderes Haus wäre wohl besser für das Finale geeignet gewesen, nachdem die Hamburger, Greifswalder, Dresdner und Weimarer Kulturbastionen Friedrichs 250. Geburtstag gebührend gefeiert hatten.
Warum die ikonischen Malereien Der Mönch am Meer und Der Wanderer über den Nebelmeer nach New York verschiffen? Warum gerade jetzt einem in den USA kaum bekannten deutschen Landschaftsmaler der Romantik auf die große Bühne stellen? Nach offizieller Lesart ist es Friedrichs einzigartige Sicht auf die Verbindung von Mensch und Natur, sein Werk im Kontext der politischen und kulturellen Turbulenzen in dem Deutschland des 19. Jahrhunderts.
Nachdem der Direktor der Met, Max Hollein, 2016 von Frankfurt nach San Francisco aufbrach und 2018 zum Metropolitan Museum in New York übersiedelte, trieben ihn möglicherweise noch andere Beweggründe. Auch unter der Gefahr, den ohnehin schon großen Raum an Missverständnissen um Caspar David Friedrich zu erweitern, hier der Versuch einer weiteren Deutung: So wollten die Ausstellungsmacher dem amerikanischen Publikum vielleicht ein spirituelles Naturverständnis vor Augen führen, auf einen beklemmenden Aufbruch ins Ungewisse hinweisen, während die Trump-Administration einen reaktionären Kahlschläge nach dem anderen, auch gegen die Natur, plant.
Die deutsche Affaire im Ideenmeer
Die Romantik im Big Apple, als eine Folie hinter den verstörenden Entwicklungen in den USA käme einem Konter mit ästhetischen Mitteln gleich, mit kritischem Augenzwinkern nach Mainhatten. An der Südspitze Manhattans steht immerhin die 46 Meter hohe Liberty Enlightening the World (Freiheit erleuchtet die Welt). Ihr Signale für Freiheit und Hoffnung und auch ihr zeitweiser Einsatz als Leuchtturm haben deutlich romantisierende Züge. Doch bei allem, was wir heute wissen, ist das Romantisierende dieser Statue gleichfalls auch das Warnzeichen vor neuem Unheil, vor allem, wenn die Politik, wie jetzt in den USA so kräftig mitmischt.
Rüdiger Safranski beschreibt die von Poesie gelenkte Einkehr, die abhebt und deren Phantasmen sich bis zum Wahnsinn steigern können, zunächst aber als eine deutsche Affäre (2007). Sie begann, als Johann Gottfried Herder ein Schiff in Riga bestieg und am 5. Juni 1769 in See stach. Es war der Aufbruch zu neuen Ufern. Auf der Fahrt über die Ostsee, den Atlantik bis zur Loire-Mündung begann der Denker der Weimarer Klassik unter den Weiten des schaukelnden Himmels mit seiner bürgerlichen Existenz zu hadern. Seine Aufzeichnungen beeindruckten Goethe so sehr, dass er Mephistopheles im zweitem Faust sprechen lies: „Das freie Meer befreit den Geist.“
Safranski unterscheidet die Romantik als zeitlich abgeschlossene Kulturepoche von einer romantisierenden Geisteshaltung. Sie wird von sinnlichen und fantasievoll gesteigerten Wahrnehmungen gespeist. Kommt es jedoch zu rauschhaften Zügellosigkeiten – wie beispielsweise in E.T.A. Hoffmanns von Feuer und Blut getriebenen Erzählung „Der Sandmann“ – entstehen nicht selten Absolutheitsansprüche.
Irrationalismus und politische Monstren
Gefühle im Ideenmeer, die aufklärerische Arroganz gern als Unbesonnen abtut, werden gefährlich und können Angst und Schrecken verbreiten, wenn sich zum fantasiebegabten Geist noch ein triebhafter Weltwille gesellt. Romantik-Kritiker Heinrich Heine warnte im berühmten Donner-Essay 1833/34 die Franzosen davor, dass die revolutionäre Geisteshaltung in Deutschland eine neue Kampflust entfache. „Der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner … kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht, so wisst, der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht.“ Heines Donner rollte über ein Jahrhundert heran durch das Kaiserreich, den Ersten Weltkrieg bis zu den Feuernächten der Nationalsozialisten 1933, die unter grölenden Feuersprüchen auch auf dem Frankfurter Römerberg die gedruckten Gedanken jüdischer und politisch unliebsamer Schriftsteller verbrannten. Der von Feuer getriebenen Symbolik folgten Unterdrückung und Vernichtung von Millionen Menschen.
Safranski zeigt, wie man es in einem schöpferischen, ekstatischen Lebensstrom plötzlich mit Dämonen zu tun bekommt. Politische Monstren haben einen romantisierenden Vorlauf, „weil sie zuerst spielerisch und genial, dann aber praktisch dem Grundsatz gehuldigt habe, dass der individuelle schöpferische Wille stärker ist als jede objektive Struktur der Welt, der man sich anpassen müsste,“ zitiert Safranski den russisch-britischen Politik-Philosophen Isaiah Berlin, der 1997 mit 88 Jahren in Oxford starb und wie Herder in Riga geboren wurde.
Wohin der ungehemmte Wille eines Einzelnen, der stärker als Institutionen und objektivierte Strukturen ist, wieder führen kann, zeigen auf eine abenteuerlich flammende Weise Elon Musk und Donald Trump. Während Elon Musk noch schöpferisches Chaos und Unternehmertum zuzugestehen ist, zerren an Donald Trump die Kräfte destruktiver Selbstbehauptung, umgeben von symbolistischen Rauschzuständen. Ihre romantisierende ungehemmte Selbstverwirklichung hat sich bereits zu Allmachtsphantasien und zur Radikalität gegenüber Andersdenkende gesteigert. Die programmatische Zerstörung der Vernunft, ihren Lauf hat noch ein anderer Frankfurter Schüler, Georg Lukács, schon in den 50iger Jahren kommen sehen. Im Vorwort seiner Neuauflage von 1960 sagt Lukács, dass aus einem immer leerer und formalistisch werdenden Weltbild „notwendig folgt, dass aus allen Poren eines derartigen >Rationalismus< überall irrationalistische Bächlein sickern müssen.“
„Rauscht ihr noch ihr alten Wälder“
Wir kommen wieder zu Caspar David Friedrich zurück, dessen mystische Bildsprache nicht nur die Nationalsozialisten zu vereinnahmen wussten. Heute haben Auffassungen gegen eine aufklärerisch argumentierende Bürgerschaft die Stufe eines irrationalen Bächleins überschritten. Strömungen zwischen Gemeinschaft und Abschottung, zwischen Weltflucht, nationaler Identität und rauschhafter Erfahrung entwickeln bereits einen gewissen Sog. Enthemmte Parteihelfer singen ihre Lieder und rufen auf nebulösen Treffen zur Vertreibung von Bevölkerungsgruppen auf.
Die ehemalige Parteivorsitzende der AfD, Frauke Petry, beobachtet in der Partei eine gewisse Enthemmung und Obsession mit Hitler. Der verklärende Umgang mit nicht versiegenden nationalistischen Quellen aus Thüringen oder Österreich lässt eine romantisierende Politisierung nicht nur erahnen. Spätestens seit der Landtagswahl 2024 in Thüringen hat Deutschland eine neue Affaire, aufgeflogen ist sie im Wahlprogramm der AfD. Dort stehen gleich zu Beginn folgende Reime „Für Thüringen“ aus dem Volkslied „Rauscht ihr noch ihr alten Wälder“:
… Wie es taucht aus trauten Fluren
(Franz Langheinrich,1864-1945)
und es glänzt vom klaren Fluss,
Vaterhaus und Wanderspuren,
Waldeslust und Morgengruß.
Berge, Täler, wilde Orte,
Locken wehn und Mädchenworte
und die Lippe blüht vom Kuß.
Jahre, die da hingezogen,
eure Pulse fühl ich klar,
und des Lebens bunter Bogen
überspringt, was einst jung war.
Ernte wogt zu meinen Füßen,
Wälder rauscht mir, um zu grüßen,
Heimat auf mein weißes Haar…
Verbindungen zum Blut- und Boden-Ideologen der NSDAP
Die eigentlich romantisierenden Verse stammen aus der Feder von Franz Langheinrich, einem glühenden Nationalsozialisten und Mitglied der völkischen und nationalistischen Deutschen Kunstgesellschaft. In Lobeshymnen auf Adolf Hitler und Texten für NS-Parteiblätter hetzte er gegen „entartete Kunst“ und das „verkommene Untermenschentum unter semitischer Führung“. Diese Deutsche Kunstgesellschaft galt als extrem aggressive, völkisch-fundamentalistische Gruppierung, wie die heutige Direktorin des LWL-Industriemuseums Dortmund, Kirsten Baumann, in ihrer Forschung zur NS-Kulturpolitik herausfand. Schließlich ging die Kunstgesellschaft 1930 im „Kampfbund für deutsche Kultur“ auf. Sie leitete der „Blut-und -Boden“-Chefideologe der NSDAP, Alfred Rosenberg, ein später in Nürnberg hingerichteter Kriegsverbrecher.
Franz Langheinrich war Rosenberg verfallen. Die Zeitung Welt hatte in der Berliner Kunstbibliothek Texte wie diese vom Urheber des AfD-Volkslieds gesichtet: Hitler habe „die Seuchennester des Kunstbolschewismus ausgeräuchert und die gründliche Reinigung der deutschen Kunstsammlungen und Kunstschulen mit unerbittlich festem Zugriff begonnen. Deutschland reife einem glücklich emporblühenden Zeitalter entgegen“. Solche Beschwörungen hören wir nicht nur aus der rechtsextremistischen Opposition im Deutschen Bundestag, sondern neuerdings und deutlich besorgniserregender auch aus transatlantischen Gefilden.
Von der Obsession zum offenen Angriff
Das Dritte Reich steigerte ihre romantisierte Ideologisierung noch mit kruder Wissenschaftlichkeit, um so auch gegen Oppositionelle vorzugehen und unwertes beziehungsweise elitäres, fortschrittliches Leben begründen zu wollen. Heute verbreiten hochtechnisierte digitale Infrastrukturen in den Händen von spielerisch genialen Romantikern wie Elon Musk oder eines in Frankfurt geborenen Peter Thiels unter dem Deckmantel des Fortschritts ideologische Versatzstücke ohne Begründungszusammenhang. Auf den Kapitalmarkt ist allerdings Verlass. Bei Verkündigung von Trumps Zollpolitik als eine Generalmobilmachung gegen den Welthandel konnte man im Deutsche Aktienindex einen noch steileren Kursabsturz als zu Beginn der Pandemie sehen. Finanzökonom Lawrence Summers und früherer Weltbankchef vergleicht Trumps Fantasien der Wirtschaftspolitik mit den religiösen Auffassungen des Kreationismus innerhalb der Biologie.
Frankfurts blaue Warte am Großen Hirschgraben
„Die Romantik triumphiert über dem Realitätsprinzip. Gut für die Poesie, schlecht für die Politik, falls sich die Romantik ins Politische verirrt“, lautet Safranskis schlichtes Fazit vom verhängnisvollen Verlauf der deutschen Affaire. Am Großen Hirschgraben stehen die romantischen und aufklärerischen Positionen baulich direkt nebeneinander. Beinahe visionär legen sie ihre dialektische Beziehung und ihre Positionen zueinander offen, während sie im amerikanischen Donner gefährlich miteinander verschmelzen.

Deutschland müsste der große Kampf um Irrationalismus und Rationalismus und seine unheilvollen Folgen eigentlich dieses Mal erspart bleiben. Zumindest sind die Frühwarnsysteme wie die vom Bundesverfassungsschutz aber nicht zuletzt auch die einer Deutschen Bundesbank am Finanzplatz Frankfurt allesamt aktiv. Darüber hinaus verfügt Frankfurt mit seiner kritischen Schule noch über zusätzliche Sensoren. Sie registrieren nicht nur die große Erschütterungen, sondern sind auch in der Lage, die frühen, lang auflaufenden Störungen zu erkennen. Jetzt mit der blauen Warte am Main, am Romantik-Museum, ist die Vorwarnzeit nochmals verlängert.